Hohes Alter steht Eigenbedarf entgegen

Wolf Rechtsanwälte Koblenz Berlin Landgericht LG Berlin Urteil vom 12.03.2019 67 S 34518 Hohes Alter Eigenbedarf

Der durch eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters bedingte Verlust der Wohnung stellt für den Mieter hohen Alters in der Regel eine soziale Härte dar, die den Vermieter verpflichtet, das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit mit dem Mieter fortzusetzen. Zu dieser Entscheidung ist das Landgericht Berlin mit Urteil vom 12.03.2019 (Az. 67 S 345/18) gekommen.

Einschlägig sei hier die Vorschrift des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB, nach der der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen könne, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen sei.

Von den nachteiligen Folgen des unfreiwilligen Verlustes der eigenen Wohnung seien alte Menschen ungleich härter betroffen, da sie sich bereits in einer Lebensphase befänden, die zusätzlich von zahlreichen sonstigen Beeinträchtigungen beeinflusst sei. Über den allmählichen biologischen Niedergang hinaus sei das Alter auch von erheblichen psychosozialen Veränderungen gekennzeichnet. Dazu gehörten nicht nur die Veränderungen der Rolle des alten Menschen und seiner gesellschaftlichen Stellung. Für einen alten Menschen bestehe die zusätzliche Notwendigkeit, den Verlust enger persönlicher Beziehungen und die damit verbundene Zunahme von sozialer Isolierung und Einsamkeit zu verkraften.

In dieser Lebensphase allgemein nachlassender Kräfte und zunehmender Beschränkung der persönlichen Möglichkeiten stelle der unfreiwillige Verlust der eigenen Wohnung für einen alten Menschen eine schwerwiegende Zäsur dar, die wegen der altersbedingt verengten und sich fortlaufend weiter verengenden Lebensperspektive die erfolgreiche neuerliche Begründung eines auf Dauer angelegten Lebensmittelpunktes unter gleichzeitigem Erhalt der bestehenden sozialen Strukturen in der verbleibenden Lebensspanne nicht nur ins Ungewisse rücke, sondern überwiegend unwahrscheinlich mache.

Eine Entscheidung darüber, ab welchem Lebensjahr ein hohes Alter als Härtegrund anzunehmen sei, bedürfe keiner Entscheidung, da die Mietpartei hier bereits mehr als 80 Jahre alt war.